Sitzen ist Einstellungssache

Komfort und Sicherheit werden bei modernen Autos immer wichtiger.
Was aber viele Autofahrer vergessen:
Das richtige Sitzen im Auto ist dafür eine wichtige Grundlage.

 

Ob sie beim Autofahren richtig sitzen, merken viele Autofahrer erst, wenn der Rücken schmerzt. Durch eine einseitige Belastung und hohe Konzentra­tion bei dichtem Verkehr ist die Muskulatur überansprucht und verkrampft. Besonders betroffen sind Vielfahrer und Pendler.

Eine wichtige Voraussetzung für entspanntes ­Fahren ist der Autositz. Um den Rücken zu entlasten, sollte er sich auf möglichst viele Arten einstellen und damit an den Körper anpassen lassen. Schließlich ist jeder Mensch anders gebaut. Mindestens erforderlich sind Einstellmöglichkeiten für Höhe und Neigung, eine Verlängerungsoption für die Sitzfläche sowie eine in Höhe und Neigung verstellbare Kopfstütze.

Dieses meint zum Beispiel der Verein „Aktion Gesunder Rücken“ (AGR). Er vergibt ein Gütesiegel für besonders rückengerechte Produkte. „Bis vor zehn Jahren waren die meisten Autositze grottenschlecht“, sagt AGR-Geschäftsführer Georg Stingel. „In den vergangenen Jahren haben viele Hersteller nachgebessert. Der optimale, rückengerechte Sitz ist aber immer noch selten.“ Nur zwei Autohersteller haben bislang von der AGR zertifizierte Sitze im Programm: Opel bietet für den Astra, den Insignia und den Meriva einen Ergonomiesitz als Extra für 390 bis etwa 500 Euro an. Bei Mercedes-Benz gibt es von der C- bis zur S-Klasse gegen einen Aufpreis von zirka 500 bis 2.000 Euro einen sogenannten Multikontursitz.

Die korrekte Sitzposition hinterm Lenkrad hat neben dem Komfort noch eine weitere wichtige Funktion: die Sicherheit. Denn nur aus einer optimalen Sitzstellung heraus können Autofahrer die Verkehrssituation schnell einschätzen und das Fahrzeug beherrschen. Wichtig ist zum Beispiel ein freies Sichtfeld rundherum, um in Gefahrensituationen das Fahrzeug richtig zu bedienen. Beispiel Sitzabstand: Die Beine dürfen nicht gestreckt, sondern müssen leicht angewinkelt sein, damit man jederzeit kraftvoll auf die Bremse treten kann.

Weiterer Punkt ist die optimale Position zu den passiven Sicherheitssystemen wie Sicherheitsgurt, Gurtstraffer und Airbags. Wer in seinem Auto weniger sitzt als lümmelt, sich fläzt oder direkt hinterm Steuer klemmt, den können die „Lebensretter“ nicht richtig schützen. Denn sie können ihre Wirkung nur entfalten, wenn sie an den vorgesehenen Stellen auf den Körper einwirken. So muss zum Beispiel der Sicherheitsgurt eng anliegen und direkt übers Schultergelenk führen. Ist das nicht der Fall, kann bei einem Unfall der Gurtstraffer den Gurt nicht schnell genug aufrollen, um den Insassen optimal im Sitz zurückzuhalten.


Interview mit Sportmediziner Dr. Eduard Lanz

 

Welche Hersteller bieten gute Sitze?

Die aktuellen Sitze sind grundsätzlich falsch konzipiert. Sie zwingen den Fahrer in eine starre Haltung. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule wird eingeschränkt, das führt zu Muskelverspannungen und Schmerzen. Die Lordosenstütze in der Rückenlehne ist sogar schädlich, denn sie erhöht den Zug auf die Bänder am Übergang von der Lendenwirbelsäule in das Becken. Eine Stelle, an der es ohnehin die meisten Überlastungsbeschwerden gibt.

 

Was macht einen rückengerechten Sitz aus?

Nicht die Form des menschlichen Körpers, sondern seine Funktion muss die Gestaltung eines Sitzes bestimmen. Ich brauche eine optimale Ausgangsposition, um mich optimal bewegen zu können.

 

Wie muss der optimale Sitz gebaut sein?

Der Mittelteil der Lehne sollte vorgewölbt sein, damit der Fahrer uneingeschränkt atmen, leichter die Arme bewegen und damit auch kleine Drehungen der Wirbelsäule machen kann. Dann blockiert die Wirbelsäule nicht mehr. Weitere sogenannte Triggerpunkte müssen im Schulterbereich und auf Höhe des Kreuzbeins angebracht sein, um diese Stellen abzustützen und zu entlasten. Auch die Sitzauflage sollte anders gestaltet sein.

 

Arbeiten Sie mit Automobilherstellern zusammen, um diese Ideen umzusetzen?

Ich habe Audi und auch andere Hersteller bei der Sitzentwicklung beraten. Es sind erste Prototypen entstanden. Auf dem Markt ist das Trigger-
Seating-System noch nicht.

 

Weil Ihr Sitzsystem nicht die sicherheitstechnischen Anforderungen erfüllt?

Nein, das Trigger-Seating-System könnte mindestens genau so sicher sein wie herkömmliche Sitze auch. Die deutsche Automobilindustrie arbeitet nicht kunden-, sondern rein wettbewerbsorientiert. Die Hersteller wollen in ihren Sitzen immer eine Verstellmöglichkeit mehr haben als der Wettbewerb. Aber etwas wirklich Neues zu machen, trauen sie sich nicht.

(Quelle: www.autopartner-atr.de )